Im Falle einer Eingruppierungsfeststellungsklage liegt die Darlegungs- und Beweislast auf Arbeitnehmerseite, sodass es für diese in aller Regel schwierig sein dürfte, mit ihrem Begehren zu obsiegen. Welche Voraussetzungen müssen für eine Eingruppierungsfeststellungsklage konkret vorliegen und welche Handlungsempfehlung für den Arbeitgeber gibt es im Umgang mit dem durch die Arbeitnehmerschaft formulierten Begehren nach einer Höhergruppierung?
Einführung
Einführung Noch lange bevor es das Entgelttransparenzgesetz gab und das Thema der Entgeltgleichheit unter den Geschlechtern omnipräsent wurde, waren die meisten tarifvertragschließenden Parteien ihrer Zeit weit voraus. Zwar gab es Unterscheidungen zwischen Arbeitern und Angestellten, das änderte aber nichts daran, dass sich Regelwerke etablierten, die anhand von ganz bestimmten Kriterien vorgaben, wie die Arbeitsleistung der jeweiligen Beschäftigten zu vergüten ist – unabhängig von Person und Geschlecht. So hat sich z. B. in der Metall- und Elektroindustrie das Mitte der 2000er-Jahre etablierte Entgeltrahmenabkommen („ERA“) zu einem Grundpfeiler der Entgeltfindung in dieser systemrelevanten Branche entwickelt, das als Gradmesser für zahlreiche Unternehmen gilt, welche Gehälter üblicherweise geleistet werden. ERA ist somit nach dem Selbstverständnis der Tarifsozialpartner das Kernstück eines konsequent aufgebauten, aber auch komplexen Tarifwerks, das auf andere Tarifverträge ausstrahlt und von weiteren Tarifverträgen ergänzt wird. In der gelebten Rechtspraxis bietet es in jedem Fall eine gute Orientierung, sodass anhand von verschiedenen Entgeltgruppen und damit einhergehenden Merkmalen für jede Tätigkeit eine ganz bestimmte Entgelthöhe ermittelt werden kann.
Obwohl die tariflichen Eingruppierungsregelungen i.d.R. sehr strukturierte Instrumentarien zur Entgeltfindung vorgeben, ist in der Wirklichkeit der Arbeitswelt zu beobachten, dass viele Unternehmen bei Gehaltsverhandlungen – ungeachtet dessen, ob diese vor oder im bestehenden Arbeitsverhältnis stattfinden – tendenziell höhere Entgeltgruppen gewähren, obwohl die hierfür notwendigen Voraussetzungen oftmals nicht vorliegen. Dies führt im Extremfall zu einer schleichenden, aber stetigen „Aufblähung“ der höheren Entgeltgruppen und einer Konterkarierung der eigentlich gut strukturierten Entgeltfindungssystematik. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen sieht sich das ein oder andere Unternehmen aufgrund des alle Branchen überspannenden Fachkräftemangels dazu gehalten, grundsätzlich höhere Gehälter zu zahlen, um überhaupt an begehrtes Personal zu gelangen. Insoweit ist der Schritt, anstatt der eigentlich einschlägigen Entgeltgruppe die nächsthöhere Entgeltgruppe anzusetzen, zumindest nachvollziehbar. Zum anderen scheuen aber auch einige Unternehmen, Eingruppierungsklagen zu führen, da mit gerichtlichen Auseinandersetzungen automatisch Ressourcen in der Personalabteilung gebunden werden, die man eigentlich für andere Aufgaben (z.B. Recruiting, vgl. hierzu ausführlich das Titelthema dieser Ausgabe) dringender bräuchte. Zudem herrscht in den Köpfen so mancher Personalverantwortlicher das nicht immer von der Hand zu weisende Vorurteil, dass die Arbeitsgerichte grundsätzlich arbeitnehmerfreundlich entscheiden und somit die Prozesschancen eher auf Arbeitnehmerseite zu sehen seien. Ein weiterer Grund für eine bereits bei Arbeitsbeginn zu hohe Eingruppierung kann in mitbestimmten Unternehmen ein „starker“ Betriebsrat sein. Dieser übt bereits im Vorfeld eines Arbeitsverhältnisses bei der Bewertung der jeweiligen Stelle Druck auf die Personalabteilung dergestalt aus, dass er im Falle einer zu niedrigen Bewertung der Stelle die Zustimmung gem. § 99 BetrVG versagt. Diese Extrarunde über das Zustimmungsersetzungsverfahren scheuen viele Arbeitgeber und bewerten die Stelle dann im Zweifel höher.
Dieser Beitrag soll u. a. aufzeigen, dass es zumindest für die Sorge hinsichtlich vermeintlich schlechter Erfolgsaussichten im Rahmen einer Eingruppierungsfeststellungsklage aus Arbeitgebersicht grundsätzlich keinen Grund gibt und der Arbeitgeber diese vielmehr selbstbewusst angehen sollte.
Ablauf des Klageverfahrens
Auch wenn es manche Betriebsräte nicht gern wahrhaben wollen, die gerichtliche Klärung einer vom Beschäftigten gewünschten höheren Eingruppierung ist kein Verfahren, das der Betriebsrat einleiten und stellvertretend für die betroffene Person führen kann. Dem Betriebsrat fehlt hierfür die Aktivlegitimation. Zwar besteht für Eingruppierungen und Umgruppierungen gem. § 99 BetrVG das Zustimmungserfordernis durch den Betriebsrat. Der Arbeitgeber müsste daher in diesen Fällen die Zustimmung gerichtlich ersetzen lassen, sollte der Betriebsrat ihm diese versagen. Allerdings bietet die gesetzliche Regelung keine Grundlage für eine Prozessstandschaft des Betriebsrats und führt somit auch nicht zu einer universellen Prozesskostentragungspflicht des Arbeitgebers über § 40 BetrVG. Wenn sich also ein Beschäftigter hinsichtlich seiner Ein- oder Umgruppierung im Unrecht sieht, dann muss er sich selbst eines Rechtsbeistands bemühen und den Klageweg beschreiten. Die Kosten des Rechtsbeistands trägt der klagende Beschäftigte im Individualrechtsstreit selbst.
Prozessual handelt es sich dabei um eine Feststellungsklage. Die Rechtsprechung sieht das Feststellungsinteresse regelmäßig als gegeben an, da der Feststellung der richtigen Eingruppierung Wirkungen über die Klärung der richtigen Vergütung hinaus zukommen. Die Eingruppierungsfeststellungsklage wird jedoch als unzulässig erachtet, sofern der Kläger die Feststellung begehrt, nach einer bestimmten Fallgruppe innerhalb der Vergütungsgruppe entlohnt zu werden (BAG, Urt. v. 9.7.1980 – 4AZR 579/78).
Nicht selten erleben wir in der arbeitsgerichtlichen Praxis, dass das Arbeitsgericht der Klägerpartei – meist am Ende des Gütetermins – die ersten Auflagen i.V.m. der ersten Schriftsatzfrist erteilt. Dies in aller Regel, weil die Klageschrift schon nicht schlüssig ist.
Ein solcher Auflagenbeschluss, der die hohen Hürden für die klagende Partei eindrucksvoll aufzeigt, könnte beispielhaft wie folgt lauten: „Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass er die Darlegungs- und Beweislast für die seinen Anspruch begründenden Tatsachen trägt. Vor diesem Hintergrund ist ergänzend zu der Klageschrift, insbesondere zu folgenden Aspekten näherer Vortrag zu leisten:
- Neben der Darlegung der Aufgaben, die zu der arbeitsvertraglichen Beschäftigung als ‚Software-Engineer‘ gehören, ist auch die Angabe erforderlich, ob und inwiefern der Kläger diese ausübt (‚auszuübende Tätigkeit‘). Der Kläger wird auch darauf hingewiesen, dass es unerheblich ist, wenn er tatsächlich höherwertige Tätigkeiten ausübt, sofern er sie arbeitsvertraglich nicht schuldet und sie ihm auch nicht auf Dauer vom Arbeitgeber/Vorgesetzten ausdrücklich oder stillschweigend übertragen worden sind.
- Darstellung der maßgeblichen Arbeitseinheiten (‚Arbeitsvorgänge‘) bzw. der von dem Kläger tatsächlich auszuübenden Tätigkeit (vgl. 1.) und ihrem zeitlichen Anteil an der Gesamtarbeitszeit und Darstellung, welches Arbeitsergebnis durch sie erzielt werden soll.
- Für die Bewertung der Arbeitseinheiten anhand der in Betracht kommenden (Tätigkeits-)Merkmale der Entgeltgruppe hat der Kläger die aus seiner Sicht einschlägigen (Tätigkeits-)Merkmale zu benennen. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass er für den Fall, dass eine Aufbaufallgruppe vorliegen sollte und es insofern auf Heraushebungsmerkmale ankommen sollte, auch insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt. Dies gilt auch, sofern es auf einen wertenden Vergleich mit der Ausgangsfallgruppe ankommen sollte.
- Schließlich hat der Kläger darzulegen, dass der erforderliche zeitliche Anteil an der gesamten auszuübenden Tätigkeit erreicht wird, um die Voraussetzungen einer bestimmten Entgeltgruppe zu erfüllen.
Dem Kläger wird aufgegeben, sofern noch nicht geschehen, seine Klageschrift um die zuvor angegebenen Tatsachen zu substantiieren und ergänzend vorzutragen.“
Beweislastverteilung
Wie an dem beispielhaften Auflagenbeschluss bereits deutlich wird, verlangt das BAG nach gefestigter Rechtsprechung, dass der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen hat, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass er die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluss der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt (BAG, Urt. v. 20.10.1993 – 4AZR47/93). Keinesfalls ausreichend sind dabei pauschale Bezeichnungen seiner Tätigkeit, ebenso wenig die Verwendung bestimmter Schlagworte, wenn dadurch nicht erkennbar ist, wie der qualitative Gehalt seiner Tätigkeit aussieht. Auch auf die Dotierung der Tätigkeit kommt es bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage nicht an. Derartige Ausführungen wären nicht ausreichend, um das Klagebegehren zu begründen. Stattdessen verlangt die Rechtsprechung eine substantiierte Darlegung, weshalb die Eingruppierungsmerkmale der behaupteten zutreffenden Entgeltgruppe vorliegen sollen. Der Beschäftigte steht somit ganz klar und eindeutig in der Pflicht, belastbare Beweise anzubieten, die sein klägerisches Vorbringen stützen.
In Bezug zu Eingruppierungsfeststellungsklagen im öffentlichen Dienst hat die Rechtsprechung dabei die Vorgaben gesetzt (das dürfte aber auch für die Privatwirtschaft gelten), dass die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung i. d. R. erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), dann sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das vorgenannte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 4.9.2019 – 3 Sa 21/19).
In diesem Zusammenhang ist nach der einschlägigen Rechtsprechung des BAG zunächst festzustellen, welche Arbeitsvorgänge im konkreten Fall zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, welche Tätigkeitsmerkmale durch die einzelnen Arbeitsvorgänge erfüllt werden (BAG, Urt. v. 28.2.2018 – 4AZR 816/16).
Beispiele aus der Praxis
Im eingangs erwähnten ERA der Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen, das 11 Entgeltgruppen besitzt, ist z. B. bei der Entgeltgruppe E 10 die Rede von einem „Aufgabenbereich“, während für die Entgeltgruppe E 11 (höchste Entgeltgruppe) ein „erweiterter Aufgabenbereich“ vorausgesetzt wird. Zudem soll der Aufgabenbereich nicht nur „teilweise“ im Rahmen von allgemeinen Richtlinien erledigt werden, sondern – wie es die Entgeltgruppe E 11 verlangt – für den gesamten Aufgabenbereich des Beschäftigten gelten. Nach Auffassung des LAG Rheinland-Pfalz ist in diesem Fall der Beschäftigte darlegungs- und beweisbelastet, wobei diese Wertung einen Vergleich mit den unter diese Vergütungsgruppe fallenden, nicht herausgehobenen Tätigkeiten erfordert und einen entsprechenden Tatsachenvortrag voraussetzt (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.2.2009 – 11 Sa 474/98). Der Beschäftigte hat also darzulegen, dass ihm allgemeine Richtlinien für seinen erweiterten Aufgabenbereich gesetzt werden.
In einem weiteren Fall hat das LAG Rheinland-Pfalz konstatiert, dass der Beschäftigte im Rahmen einer Eingruppierungsfeststellungsklage die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Heraushebungsmerkmals trägt und diese Darlegungs- und Beweislast nicht dadurch erleichtert wird, dass eine Stelle innerhalb des Arbeitgebers (wie z. B. eine Stellenbewertungskommission) die Ansicht des Arbeitnehmers über die Eingruppierung teilt (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.12.2013 – 8 Sa 307/13).
Das LAG Köln hat entschieden, dass der Eingruppierungskläger im öffentlichen Dienst, der glaubt, sich aus der ihm zugebilligten Vergütungsgruppe durch ein qualifiziertes Merkmal herauszuheben, auch darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen hat, dass er die subjektiven und objektiven Voraussetzungen der ihm bisher zugestandenen Ausgangsgruppe erfüllt. Nach Rechtsauffassung des LAG Köln befreien ihn dabei weder die bisherige Vergütungspraxis noch die Angabe der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag oder die Dotierung der Stelle im Stellenplan von dieser Verpflichtung (LAG Köln, Urt. v. 28.7.2000 – 11 Sa 408/00).
Handlungsempfehlung und Fazit
Im Lichte der zitierten Rechtsprechung ist die Eingruppierungsfeststellungsklage ein richtiges „Brett“ für den Beschäftigten. Er muss nicht nur jedes einzelne Merkmal der gewünschten Entgeltgruppe konkret – und im Bestreitensfall unter Beweisantritt – darlegen, er ist auch gehalten, Umstände vorzutragen, die sich ganz konkret an der aufbauenden Systematik der jeweils geltenden Entgeltordnung ausrichten. Ein solcher Vortrag dürfte nach unseren Erfahrungen nur im Ausnahmefall gelingen. Aus diesem Grund sollten die Verantwortlichen in der Personalabteilung, die sich mit einem zunächst außergerichtlich artikulierten Höhergruppierungsbegehren eines Beschäftigten konfrontiert sehen, diesem Ansinnen mit der gebotenen Gelassenheit begegnen, wobei hiermit keinesfalls suggeriert werden soll, dass ein solches Anspruchsbegehren grundsätzlich unterschätzt werden sollte. Selbstverständlich ist jeder Fall gesondert zu betrachten und zu prüfen.
In aller Regel überwiegen die Erfolgsaussichten der Arbeitgeberseite die der Arbeitnehmerseite, sodass es jedenfalls aus Gründen einer realistischen Risikobewertung tunlich ist, das Höhergruppierungsbegehren nach Prüfung der Tatsachen im Einzelfall unmissverständlich abzulehnen und somit etwaig geltende Ausschlussfristen in Gang zu setzen.
Es ist dann am Beschäftigten, die hohen prozessualen Hürden im Rahmen einer Eingruppierungsfeststellungsklage zu nehmen.