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Der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag

Prozesstaktische Allzweckwaffe oder arbeitsrechtliches Schattendasein?

Es dürfte davon auszugehen sein, dass Fälle, die durch gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gem. §§9, 10 KSchG beendet werden, eher die Ausnahme sind. Woran liegt das? Bietet das vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Instrumentarium des arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags keine ausreichende Möglichkeit, das Ziel durchzusetzen und das Arbeitsverhältnis zu beenden?

1 Statistik

Nach statistischer Erhebung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurden bundesweit im Jahr 2018 bei den erstinstanzlichen Arbeitsgerichten insgesamt 180.891 Bestandsstreitigkeiten verhandelt, wobei hierunter 173.096 Kündigungsschutzverfahren fielen. Legt man diese Statistik zugrunde, wonach ca. 51.000 aller Bestandsstreitigkeiten im ersten Monat nach Rechtshängigkeit und weitere 81.034 Bestandsstreitigkeiten zwischen dem ersten und dem dritten Monat einem Ende zugeführt wurden, kann daraus geschlossen werden, dass der weit überwiegende Anteil der Verfahren im Wege einer gütlichen Einigung – entweder in Form eines gerichtlichen Vergleichs oder einer außergerichtlichen Einigung – abgeschlossen wurde. Schließlich nehmen streitige Verfahren, die nach einem Kammertermin durch eine gerichtliche Entscheidung enden, in aller Regel einen längeren Zeitraum in Anspruch. Selbst bei konservativer Berechnung ist davon auszugehen, dass die Parteien in mindestens der Hälfte aller Verfahren eine gütliche Einigung treffen.

Was ist mit der anderen Hälfte? Die Statistik erfasst bedauerlicherweise nicht die Verfahren, in denen das Kündigungsschutzverfahren mit einem erfolgreichen Auflösungsantrag endet.

2 Gesetzliche Grundlage

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und ihn zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen. Diese scheinbar anmutige Formulierung, die bei nicht wenigen Personalverantwortlichen ein wohlwollendes wie zustimmendes Kopfnicken verursachen dürfte, bedarf jedoch einer genaueren Betrachtung.

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass man den arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag nur in einem Kündigungsschutzverfahren stellen kann. Das Stellen des Antrags vor Rechtshängigkeit wäre daher in jedem Fall unzulässig. Der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag, der i. d. R. als Hilfsantrag zum obligatorischen Klageabweisungsantrag gestellt wird, existiert demnach nicht losgelöst im Sinne einer zusätzlichen alternativen Lösungsmöglichkeit zur Kündigung. Er ist vielmehr als prozesstaktisches Instrument anzusehen, das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen doch noch einem Ende zuzuführen. Das Unternehmen muss sich hierbei bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (in der Berufungsinstanz) entscheiden, ob es den Auflösungsantrag stellen will oder nicht.

Materiellrechtlich zwingende Voraussetzung ist, dass das Gericht die Sozialwidrigkeit der streitgegenständlichen Kündigung i. S.v. § 1 KSchG feststellt. Das bedeutet, dass das Kündigungsschutzverfahren zugunsten des Arbeitnehmers ausgehen würde, da der Arbeitgeber nicht hinreichend darlegen konnte, dass ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vorlag. Ob der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag ausscheidet, wenn die Kündigung auch noch aus anderen Gründen unwirksam sein muss, ist umstritten. Das BAG geht jedenfalls nach ständiger Rechtsprechung davon aus, dass er von vornherein keinen Erfolg haben wird, wenn die Kündigung aufgrund des Bestehens eines (besonderen) Kündigungsschutzes – z. B. aufgrund Schwangerschaft (§ 17 Abs. 1 MuSchG), Elternzeit (§ 18 BEEG) oder einer Betriebs- bzw. Personalratstätigkeit (§ 15 Abs. 1 und 2 KSchG) – unwirksam ist, also bspw. eine behördliche Zustimmung nicht eingeholt wurde. Der Auflösungsantrag scheidet somit für das Unternehmen aus, wenn der Mitarbeiter unkündbar ist. Dasselbe gilt im Übrigen, wenn die sozialwidrige Kündigung bereits aufgrund einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung unwirksam ist.

Bei einer außerordentlichen Kündigung stellen sich die Streitfragen nicht, denn der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag scheidet bei einer außerordentlichen Kündigung – selbst bei solchen mit sozialer Auslauffrist, wie es z. B. der Manteltarifvertrag der hessischen Metall und Elektroindustrie ermöglicht – von vornherein aus.

3 Unbestimmter Rechtsbegriff

Erklimmt man also grundsätzlich die erste Hürde und scheitert die Kündigung „lediglich“ an einer vom Gericht festgestellten Sozialwidrigkeit, so muss der Arbeitgeber darlegen, dass Gründe vorliegen, die keine „den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit“ zwischen den Arbeitsvertragsparteien erwarten lassen. Diese vom Gesetz ausdrücklich formulierte Voraussetzung war bislang Gegenstand zahlreicher Rechtsstreitigkeiten. Als unbestimmter Rechtsbegriff eröffnet die Formulierung zwangsläufig etliche Interpretationsspielräume, die sich jedoch im Laufe der Zeit auf bestimmte Argumentationslinien konzentriert haben. Es wird die wenigsten verwundern, dass daran strenge Anforderungen geknüpft sind, die Unternehmen erst einmal erfüllen müssen, wenngleich sich durch die ergangenen Entscheidungen eine gewisse Kasuistik abzeichnet.

Den positiv beschiedenen arbeitgeberseitigen Auflösungsanträgen ist hierbei gemein, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses keine Sanktionierung begangenen Unrechts, sondern eine Prognoseentscheidung darstellt, die zu dem Ergebnis kommt, dass eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht mehr möglich ist. Dem Arbeitgeber steht es dabei offen, für die Begründung seines Auflösungsantrags Umstände anzuführen, die zur Wirksamkeit der von ihm ausgesprochenen Kündigung – aus Sicht des Gerichts – nicht ausgereicht haben. Das ist aber nur dann möglich, wenn sein Vorbringen so beschaffen ist, dass sich das Gericht, wollte es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hierauf stützen, nicht in Widerspruch zu seiner Beurteilung des Kündigungsgrundes als unzureichend setzen müsste.

Darüber hinaus kann auch die Stellung des Beschäftigten im Betrieb eine maßgebliche Rolle spielen. Bei einem Arbeitnehmer, dessen Wort in einem Betrieb ein gewisses Gewicht hat, ist ein Verhalten, das Anlass für einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag gibt, aller Wahrscheinlichkeit nach anders zu beurteilen als bei einem Mitarbeiter, der eher eine untergeordnete Rolle spielt. Eine gewisse Analogie lässt sich auch im Hinblick auf die Betriebszugehörigkeit übertragen, die bereits im Rahmen der Interessenabwägung bei der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung Berücksichtigung findet. Jemandem, der über Jahrzehnte beanstandungsfrei seine Arbeitsleistung erbracht hat, ist ein Fehlverhalten sicherlich anders anzulasten als einem Beschäftigten, der erst seit Kurzem dem Betrieb angehört.

Was genau ist aber nun mit „Fehlverhalten“ gemeint und gegenüber wem ist dieses grundsätzlich denkbar? Hierbei kann zwischen drei Zielrichtungen bzw. Konstellationen unterschieden werden, nämlich

  • dem Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber,
  • dem Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sowie
  • dem Verhalten des Mitarbeiters gegenüber Dritten.
4 Unterschriftenaktion und Privatgespräche

Die erste Zielrichtung ergibt sich bspw. aus den vom Beschäftigten gegenüber dem Unternehmen getätigten Äußerungen. Trägt der Arbeitnehmer etwa im Laufe eines Kündigungsschutzverfahrens bewusst wahrheitswidrig vor, so hat nach Auffassung des LAG Hamm ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers sogar dann Erfolg, selbst wenn der falsche Sachvortrag für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung nicht entscheidungserheblich war (LAG Hamm, Urt.v. 3.9.2014 – 4 Sa 235/14, vgl. AuA 1/15, S. 50). Im Rahmen dieser Entscheidung ging es um einen Mitarbeiter, der eine betriebsweite Unterschriftenaktion gegen ein bestimmtes Schichtmodell initiierte, um das Unternehmen dadurch zu einem Umdenken zu bewegen. Er stritt seine Beteiligung hieran konsequent ab und räumte diese erst in der Berufungsverhandlung ein. Bis dahin ließ er schriftsätzlich das Gegenteil vortragen. Nach Ansicht des LAG führte die vorsätzliche Missachtung der gesetzlich obliegenden Wahrheitspflicht dazu, ernsthafte Zweifel des Arbeitgebers anzunehmen, ob der Arbeitnehmer bereit sei, mit ihm auf Grundlage des für ein Arbeitsverhältnis essenziell erforderlichen Vertrauensverhältnisses weiterhin zusammenzuarbeiten.

Darüber hinaus müssen nach Auffassung der Rechtsprechung auch unrichtige Tatsachenbehauptungen, die den Tatbestand der üblen Nachrede oder Verleumdung erfüllen, als berechtigte Gründe für einen erfolgreichen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag in Betracht kommen. Weiterhin kann das übermäßige Führen von Privattelefonaten während der Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum (im entschiedenen Fall führte der Beschäftigte tägliche Privatgespräche, an einem einzigen Tag sogar 14 Mal) als Auflösungsgrund gelten; so sah es zumindest das LAG Niedersachsen (Urt. v. 13.1.1998  – 13 Sa 1235/97, NZA-RR 1998, S. 259).

Das LAG Köln sieht auch in Äußerungen, die begründete Zweifel an der Eignung des Mitarbeiters für die ihm übertragenen Aufgaben aufkommen lassen, ausreichende Gründe für die Wirksamkeit eines arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags (LAG Köln, Urt. v. 19.4.2005  – 9 [6] Sa 1059/04, NZA-RR 2005, S. 637).

5 Vorwurf unredlichen Verhaltens

Das ArbG Offenbach hat in einer bislang nicht veröffentlichten Entscheidung (Urt. v. 12.12.2017 – 1Ca39/17) dem arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag nach Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung stattgegeben, weil die Klägerin der Beklagten im Laufe des Kündigungsschutzprozesses unredliches Verhalten vorwarf. Nach Auffassung des Gerichts war es der Arbeitgeberin nicht zuzumuten, mit einer Arbeitnehmerin weiterhin zusammenzuarbeiten, die ihr Unredlichkeit unterstellt.

Zwar können auch nach Auffassung der Offenbacher Richter Erklärungen oder Rechtsausführungen im Prozess, die eine Unredlichkeit der gegnerischen Partei implizieren, grundsätzlich durch ein berechtigtes Interesse der jeweiligen Partei gedeckt sein, insbesondere dann, wenn hierfür klare Indizien oder gar Beweise vorliegen und die Vorwürfe für den konkreten Streitgegenstand Relevanz haben. Schließlich dürfen Parteien zur Verteidigung ihrer Rechte im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was prozesserheblich sein kann. Der Vortrag muss insofern auch in gebotener Schärfe möglich sein, selbst wenn der Standpunkt vorsichtiger hätte formuliert werden können.

Entscheidend für den Erfolg des Auflösungsantrags im seinerzeit zu entscheidenden Fall war, dass sich die Klägerin auf kein rechtliches Interesse berufen konnte. Der ihrerseits zur Begründung der Unredlichkeit der Arbeitgeberin herangezogene Sachverhalt rund um eine unstimmige und zweifelhafte Reisekostenabrechnung war nicht Streitgegenstand des damaligen Kündigungsschutzprozesses. Der von der Klägerin geschilderte Sachverhalt hatte für die Kündigungsentscheidung der Beklagten keinerlei Relevanz gehabt

6 Ehrverletzende Behauptungen

Die zweite Konstellation, aus der sich ein auflösungsrelevantes Verhalten ergeben kann, liegt im Verhältnis zwischen dem Beschäftigten, Vorgesetzten und sonstigen Kollegen. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um Beleidigungen oder sonstige ehrverletzende Behauptungen. So ist nach Ansicht des LAG Hamburg etwa eine unberechtigte Strafanzeige gegenüber einem Vorgesetzten ausreichend, einem arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag stattzugeben (LAG Hamburg, Urt. v. 27.6.1995 – 3 Sa 114/94, LAGE § 9 KSchG Nr. 26). Auch ausländerfeindliche Äußerungen oder entsprechendes Verhalten im Betrieb berechtigen zum Stellen eines Auflösungsantrags, wenn dadurch der Betriebsfrieden nachhaltig gestört wird (LAG Hamm, Urt. v. 30.1.1995  – 10 [19] Sa 1931/93, LAGE § 626 BGB Nr. 84).

In der dritten denkbaren Variante kann schließlich auch das Verhalten des Mitarbeiters gegenüber einem Dritten einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag begründen. Als Paradebeispiel wird hier immer der Fall angeführt, dass sich ein Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung mit unzutreffenden Tatsachenbehauptungen gegen das Unternehmen an die Öffentlichkeit wendet, um es dadurch zu diffamieren. Ebenso gehört hier als klassisches Beispiel die Beeinflussung von Zeugen im Rahmen des Verfahrens dazu.

Insbesondere die emotional vorbelasteten Fälle zwischen Beschäftigtem und Arbeitgeber sowie im Verhältnis zwischen Mitarbeiter und natürlichen Personen (Vorgesetzte oder Kollegen) dürften für die arbeitgebervertretende Zunft von besonderem Interesse sein.

Schließlich muss sich der in den allermeisten Fällen anwaltlich vertretene Arbeitnehmer das Verhalten Dritter (hier: seines Prozessbevollmächtigten) zurechnen lassen. Wenn dieser bspw. in den vorbereitenden Schriftsätzen oder im Kontext der mündlichen Verhandlung in einer den Arbeitgeber diffamierenden oder Kollegen beleidigenden Art und Weise vorträgt – und der Kläger sich von diesem Vortrag nicht aktiv distanzieren würde –, muss Letzterer sich diesen im Rahmen der Entscheidung über einen Auflösungsantrag durchaus erheblichen Vortrag zurechnen lassen.

In dem Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Offenbach zeigte sich deutlich, dass es sich aus Arbeitgebersicht durchaus „lohnen“ kann, den klägerischen Vortrag dahingehend genau zu untersuchen, ob er für den jeweiligen Streitgegenstand relevant ist oder einfach nur in unsachlicher Art und Weise dazu dienen soll, das Unternehmen zu diskreditieren.

7 Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitgeber ist – wie auch im Rahmen der Kündigung – hinsichtlich der Tatsachen, die den Auflösungsantrag begründen sollen, darlegungs- und beweisbelastet. Es genügt eben nicht, durch allgemein und pauschal formulierte Plattitüden eine (abstrakte) schlechte Stimmung im Betrieb zu zeichnen, die eine den Betriebszweck dienliche weitere Zusammenarbeit vermeintlich nicht erwarten lässt.

Um dieser Darlegungs- und Beweislast zu entsprechen, muss man konkrete Tatsachen benennen und diese ggf. unter Beweis stellen. Sofern sich das Unternehmen zur Begründung seines Auflösungsantrags nicht ausdrücklich auf Tatsachen beruft, die sein Auflösungsbegehren stützen und zum Erfolg verhelfen könnten, dürfen diese nicht vom Gericht verwertet werden, selbst wenn sie offenkundig und gerichtsbekannt sind.

8 Besonderheit: Leitende Angestellte

Handelt es sich beim Kläger eines Kündigungsschutzprozesses um einen Geschäftsführer, einen Betriebsleiter oder einen „echten“ leitenden Angestellten i. S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 KSchG, der zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist, so entfällt die Pflicht des Arbeitgebers, den Auflösungsantrag zu begründen.

Dies führt zur „komfortablen“ Situation auf Seiten des Unternehmens, dass seinem Auflösungsantrag – gegen Zahlung einer durch das Gericht festzusetzenden Abfindung – auch ohne Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien stattgegeben werden muss.

Voraussetzung für den erfolgreichen Auflösungsantrag ist allerdings auch im Falle des leitenden Angestellten die vorherige Feststellung der Sozialwidrigkeit einer dem Antrag vorausgegangenen ordentlichen Kündigung.

9 Antragstellung, Formulierung, Abfindungshöhe

Der Gesetzgeber hat auf eine bestimmte Antragsformulierung verzichtet. Stattdessen lässt sich eine gewisse Analogie zum zivilrechtlichen Schmerzensgeldantrag ziehen. Der Arbeitgeber ist daher nicht gehalten, eine bestimmte Abfindungshöhe oder gar einen Maximalbetrag anzugeben, zu dem er bereit wäre, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Es reicht völlig aus, dass er die Höhe der Abfindung in das Ermessen des Gerichts legt. Allerdings stellt sich regelmäßig die Frage, ob man tatsächlich dazu bereit ist, das Risiko einzugehen, dem Gericht die Entscheidungshoheit über die Höhe der Abfindung zu übertragen oder ob es nicht doch sinnvoller wäre, zumindest einen Maximalbetrag im Rahmen des Antrags anzugeben. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass sich das Gericht an diesem Betrag orientieren und eine geringere Abfindung von vorneherein nicht ernsthaft in Betracht ziehen dürfte.

Nicht außer Acht lassen sollte man zudem den Umstand, dass das Unternehmen trotz konkreter Angabe einer maximalen Abfindungssumme im Auflösungsantrag keine Sicherheit dafür hat, dass es bei dem von ihm angegebenen Maximalbetrag bleibt. Denn das Gericht kann zum einen dem arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag dem Grunde nach stattgeben, zum anderen jedoch eine (noch) höhere Abfindung festsetzen. Da es rechtlich unzulässig ist, den Auflösungsantrag unter den Vorbehalt einer bestimmten Abfindungshöhe zu stellen, muss sich der Arbeitgeber letztlich im Klaren darüber sein, was er vorzieht: eine Abfindung, die allein in das Ermessen des Arbeitsgerichts gestellt wird, oder dem Arbeitsgericht – subtil – doch eine gewisse „Richtung“ vorzugeben, frei nach dem Motto: „Einen Tod muss man sterben.“

Eine allseits befriedigende Antwort hierauf gibt es nicht. Welcher Weg vorzugswürdig ist, muss im Einzelfall bewertet und entschieden werden. Nach unserer Erfahrung ist die Angabe eines Maximalbetrags zumindest in den Fällen besonders in Erwägung zu ziehen, in denen man dem Auflösungsantrag gute Erfolgsaussichten beimisst.

Muster

Die arbeitgeberseitigen Anträge (Klageabweisungs- sowie Auflösungsantrag) könnten wie folgt lauten: „Es wird beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Sozialwidrigkeit der Kündigung feststellen sollte, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 10.000,00 Euro nicht überschreiten sollte, zum xx.xx.xxxx aufzulösen.“

10 Fazit

Aus vorgenannten Gründen sollte die Darlegung der Auflösungsgründe – im Vergleich zur Darstellung der Kündigungsgründe – keinesfalls stiefmütterlich und nur beiläufig erfolgen.

Die Stellung eines arbeitgeberseitigen Auflösungsantrags bietet sich freilich nur in einer eher überschaubaren Fallzahl an, da im Gros der Fälle eine professionelle Trennung der (ehemaligen) Arbeitsvertragsparteien durch einen Vergleich gelingt. Getreu dem Motto: „Man sieht sich immer zweimal im Leben.“

Auch wenn der arbeitgeberseitige Auflösungsantrag kein arbeitsrechtliches Schattendasein fristet, so verhindern doch die – im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes – relativ strengen Anforderungen, dass dieser zu einer „prozesstaktischen Allzweckwaffe“ aufsteigen kann.

Allerdings kann ein schriftsätzlich gut herausgearbeiteter Auflösungsgrund – so er denn vorliegt – den Druck auf klägerischer Seite merklich erhöhen sowie eine zunächst nicht feststellbare Vergleichsbereitschaft erzeugen und – je nach Fallkonstellation – fördern. So kommt es in der Praxis doch immer wieder vor, dass die eine Partei der anderen vorwirft, es mit der Wahrheitspflicht i. S. d. § 138 ZPO nicht allzu genau zu nehmen. Spätestens wenn diese Art vorzutragen die Grenze zwischen einer vagen und unterschwelligen Unterstellung, hin zum mehr oder weniger ausdrücklichen Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs überschreitet, ist es an der Zeit, die Stellung eines Auflösungsantrags in Erwägung zu ziehen und ggf. vorzubereiten.